Sonntag, 21. Oktober 2012

eine unbemannte russische Mondmission



Absolute Dunkelheit umgab Alexej Grimalkow als er aufwachte. Er tastete seine Umgebung ab, kaltes, glattes Metall umgab ihn. Es war eng in seinem flachen runden Gefängnis. <Wo bin ich?> Jeder Versuch sich zu erinnern wurde erstmal mit stechendem Kopfschmerz bestraft. Er tastete immer wieder den Innenraum dieses glatten Kessels ab, er drehte und wandte sich wie ein Regenwurm in einer Glasschale. Als Grimalkow sich dabei selbst berührte machte er eine noch absurdere Entdeckung. Er fühlte sich nicht nur nackt und einsam, er war es auch. <erinnere dich, verdammt noch mal, erinnere dich> Es war zum verrückt werden. Grimalkow dachte an seine Kosmonautenausbildung. Die erste Regel zum Selbstschutz in panischen Situationen lautete: kontrolliert atmen, nur nicht Hyperventilieren. <krieg dich in den Griff, reiß dich zusammen dann erinnerst du dich auch und kannst feststellen wo du bist> Sein Puls wurde von Sekunde zu Sekunde langsamer, seine Atmung beruhigte sich. Langsam kamen die Geschehnisse zurück in seine Gedanken.
Es war ein Notfall, sie hatten einen Sauerstofftank verloren. Die Zweiköpfige Besatzung der Luna 9 würde den Rückflug nicht überleben. Grimalkow rief Baikonur und bat um Instruktionen für das weitere Verfahren. Die Antwort war schockierend. „Die Mission hat höchste Priorität Oberst Grimalkow. Sie sind für ihr Gelingen persönlich verantwortlich. Sie müssen die Mission planmäßig durchführen, auf ein weiteres Crewmitglied kann dabei durchaus verzichtet werden.“
Niedergeschlagen bewegte er sich in den Ruhebereich. „Juri, schläfst Du?“ flüsterte Grimalkow seinem langjährigen Kameraden zu. Als er keine Antwort bekam nahm er den Injektionsautomat den die Kosmonauten immer bei sich hatten um sich in Notfällen eine Dosis Atropin zu injizieren. Er entfernte die Ampulle und bestückte den Apparat mit einer anderen. Im Umdrehen sagte er „Es wird schnell gehen Towarisch, versprochen.“
Dann setzte Grimalkows Erinnerung aus.

Im selben Moment wurde er mit dem sechsfachen seines Gewichts an die Wand des Kessels gedrückt. Sein Blutdruck sackte in den Keller, die Pulsfrequenz stieg an, seine Atmung wurde zu einem Hecheln doch er blieb bei Bewusstsein. Grimalkow hatte beim Zentrifugentraining im Kosmodrom genug Erfahrungen mit extremen Beschleunigungskräften gesammelt und wurde wohl Hauptsächlich wegen seiner körperlichen Fitness für diese Mission ausgewählt. Sogar General Schokowitzsch, der Leiter am Ausbildungszentrum des Kosmodroms, erwähnte in seiner Abschlussrede dass er noch nie einen Kosmonauten-Anwärter gesehen hatte der neuneinhalb G bei vollem Bewusstsein aushält. Es dröhnte und die Kräfte ließen nach. Als es wieder erträglich wurde begann Grimalkow sofort mit der Analyse der neuen Situation. <Hat Juri die Fähre tatsächlich um den Mond herum beschleunigt und den Rückkurs eingeschlagen? Aber warum spüre ich immer noch Verzögerungskräfte> Noch bevor er den unheimlichen Gedanken fassen konnte spürte er einen abrupten Stoß. Ihm wurde schlagartig klar dass dies nur eines bedeuten konnte, doch er konnte und wollte es nicht begreifen. Nun spürte er zum ersten Mal seit Beginn der Luna 9 Mission Angst und... Schwerkraft. Ruhe und Dunkelheit umgab ihn. Dann hörte er ein Klicken. Die Deckelplatte seines Gefängnisses wurde aufgesprengt. In dem Moment als es ihm die komplette Luft aus den Lungen presste blähte sich sein Körper auf und seine Augen traten schmerzhaft hervor. Im letzten Augenblick seines Lebens bot sich Grimalkow ein Bild das Entsetzen und Erkenntnis gleichzeitig war. Er sah vor einem beeindruckenden Sternenhimmel die Erde über einem zerklüfteten sandgelben Horizont aufgehen. Alexej griff sich an den Hals und fühlte das Amulett das er während der ganzen Mission nicht einmal abgelegt hatte. Er barg dieses wichtige Kleinod fest in seiner Hand. Dann löste sich sein Griff und die Schwärze fraß alles auf.

Oberstleutnant Juri Trokin schlief in seiner Koje wie in einem Kokon. Plötzlich wurde er durch das monotone Piepsen des akustischen Signalgebers geweckt. Er schaute auf die Uhr und stellte fest dass ihm noch vier Stunden blieben. Trokin nahm sich fest vor noch ein oder zwei davon zu schlafen. Nach häufigem hin und her wenden sah er ein dass es nicht mehr möglich war. Er nahm sein Headset vom Haken und wollte sich gerade bei Alexej melden als er die Worte hörte, die sein weiteres Leben verändern sollten. „ …auf ein weiteres Crewmitglied kann dabei durchaus verzichtet werden.“ Er traf eine Entscheidung.
Weil er sein eigenes Leben retten wollte saß er nun allein in der Kapsel und fiel auf die Erde zu. Trokin sah den blauen Planeten und war froh noch am Leben zu sein. Doch seine Hoffnung schwand als er den Funkverkehr auf dem gesicherten Transponder hörte. Ein Wissenschaftler teilte der Nachrichtenagentur TASS mit dass die unbemannte Luna 9 Mission erfolgreich war. „Das Lunokhod ist unbeschädigt auf der Mondoberfläche gelandet.“